Dürfen Nachbargrundstücke für Baumaßnahmen genutzt werden?

 

Ein Bauherr darf Nachbargrundstücke zum Zweck der Errichtung, Änderung oder Ausbesserung baulicher Anlagen „betreten“.

Darüber hinaus darf man Gerüste oder sonstige Geräte auf dem Nachbargrundstück aufstellen und benutzen

(sog. Hammerschlags- u. Leiterrecht).

Der Begriff „Betreten“ wird je nach Gegebenheit weit ausgelegt und umfasst z.B. auch das Befahren mit Planierraupen.

Gleiches gilt für den Begriff der Nutzung: Hierunter fallen auch Abgrabungen und die Sicherungen des Verbaus von Baugruben

durch Erdanker auf dem Nachbargrundstück. Die Stuttgarter Gerichte tragen den besonderen örtlichen Verhältnissen gerne

Rechnung und sind oft bauherrenfreundlich.

 

Voraussetzung für diese Befugnisse ist, dass die Baumaßnahme dem öffentlichen und privaten Baurecht entspricht.

Bei fehlender Baugenehmigung z.B. oder bei Nichteinhaltung des Grenzabstands stehen dem Bauherrn diese Rechte nicht zu.

 

Der Bauherr darf das Nachbargrundstück nur nutzen, wenn die Baumaßnahme sonst nicht oder nur mit erheblichen

Mehraufwendungen möglich wäre. Solche erheblichen Mehrkosten werden i.d.R. angenommen, wenn diese 10 % der

Kosten der Maßnahme übersteigen.

 

Die Maßnahmen sind zwei Wochen vor Beginn anzuzeigen. Zu nennen sind Zweck und Umfang der Inanspruchnahme

sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeiten.

 

Der Eigentümer des Nachbargrundstücks kann Schadensersatz für Schäden und bei invasiven Eingriffen zusätzlich

einen angemessenen Ausgleich verlangen. Vor Beginn der Maßnahme kann eine angemessene Sicherheit verlangt werden.  

 

Widerspricht der Nachbar, muss der Bauherr die Nutzung durch Klage durchsetzen. Dies ist für beide Seiten

mit unnötigen Kosten, Zeitverlust, Ärger und einer dauerhaften Beschädigung des nachbarschaftlichen Verhältnisses verbunden.

Für den Bauherrn bedeutet ein Rechtsstreit oft eine monatelange Verzögerung des Bauvorhabens.

 

Vor diesem Hintergrund sind Bauherr und Nachbar gut beraten, einen Rechtsanwalt mit dem Entwurf einer sachgerechten

Vereinbarung zu beauftragen: Auf diese Weise kann der Bauherr seine Maßnahmen termingerecht und ohne die Kosten

für Gerichtsverfahren durchführen. Für den Nachbarn wiederum bietet eine solche Vereinbarung die Möglichkeit,

über den Schadensersatz hinaus auch eine angemessene Vergütung für die Unannehmlichkeiten zu erhalten und ggf. auch

auf die Durchführung der Maßnahmen Einfluss zu nehmen. Vor Beginn der Maßnahme wäre schließlich noch an eine

Beweissicherung der Ursprungssituation zu denken.